96. Jahresversammlung der Deutschen Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie

Prof. Dr. med.

Vorsitz

Prof. Dr.

NUR Wissenschaftliches Programm / ONLY Scientific Programme

Prof.

Haarzelldegeneration durch Lärmtraumata bei tauben Otof-Knockout-Mäusen

Innenohr

OTO-IO

Angeborene Taubheit aufgrund von Mutationen im OTOF-Gen (DFNB9) ist auf eine Störung der Vesikelfreisetzung an den Synapsen der inneren Haarzellen zurückzuführen. Otoakustische Emissionen, ein Maß für die cochleäre Verstärkung, können bei neugeborenen DFNB9-Kindern normal sein, gehen aber meist innerhalb von Monaten bis Jahren nach der Geburt verloren. Bei Otof-Knockout-Mäusen beobachteten wir eine moderate Beschleunigung des altersbedingten Abbaus der äußeren Haarzellen (Stalmann et al., Front. Cell Neurosci 2021). Unsere Hypothese war nun, dass das Fehlen von Stapediusreflexen und olivocochleären Reflexen taube Ohren anfälliger für Lärmschäden macht.Wir setzten Otof-Knockout- und Wildtyp-Mäuse verschiedenen Lärmtraumata aus und untersuchten die Hörfunktion durch BERA-/DPOAE-Messungen und die Degeneration des Corti-Organs durch Immunhistochemie/Konfokalmikroskopie. Ein akutes Lärmtrauma geringerer Intensität führte bei Otof-Knockout-Mäusen zu einem etwas ausgeprägteren Rückgang der DPOAE als bei Wildtyp-Wurfgeschwistern, aber zu keinem Unterschied in der Anzahl der Haarzellen. Nach einem stärkeren akuten Lärmtrauma gingen bei beiden Genotypen die DPOAE und die äußeren Haarzellen der basalen Windung verloren. Ein chronisches Lärmtrauma führte bei Otof-Knockout-Mäusen zu einem stärkeren Verlust von inneren und äußeren Haarzellen als bei Wildtyp-Kontrollen. Die Anzahl der Haarzellsynapsen war allen Mutanten reduziert, nach Lärmtrauma reduzierte sie sich nur bei Wildtyp-Mäusen. Unsere Ergebnisse stehen im Einklang mit einer erhöhten Anfälligkeit der äußeren Haarzellen von Otof-Knockout-Mäusen für Lärmtraumata, wahrscheinlich aufgrund des Fehlens von Schutzreflexen. Die resultierenden Schäden würden das Ergebnis einer Gentherapie bei DFNB9 beeinträchtigen.Nein

Otologie / Neurootologie / Audiologie

Freier Vortrag

Prof. Dr. rer. nat.

PD Dr.

Identifizierung einer neuen Komponente der Stereozilien äußerer Haarzellen

OHC stereocilia are linked by horizontal top connectors (HTCs) and to the tectorial membrane (TM) by tectorial membrane attachment crowns (TM-ACs). Both protein complexes comprise the secreted proteins stereocilin, otogelin, otogelin-like and colocalize with the intracellular protein tubby. The absence of both component results in hearing loss in humans (DFNB16; DFNB18B; DFNB84B) and mice. The interaction between extracellular components and intracallular tubby remains unclear. We describe a novel transmembrane component (TM_OHC) that is indispensable for the formation of HTCs and TM-ACs. Expression, subcellular localization and distribution was determined using immunohistochemistry in whole mounts of mouse organ of Corti and confocal / STED microscopy. Scanning electron microscopy (SEM) was used to evaluate structural integrity of hair bundles. We identified an uncharacterized membrane protein (TM_OHC), which is expressed in OHCs. TM_OHC immunoreactivity was restricted to the tips of OHC stereocilia, where it closely co-localized with both tubby and stereocilin. STED microscopy revealed a ring-like distribution of both TM_OHC and tubby around the tips of the longest stereocilia. Additionally, TM_OHC labeling co-localized with tubby at the HTCs. In TM_OHC knockout mice, both stereocilin and tubby were lost from in OHC stereocilia and the tectorial membrane imprints were abolished. The structural integrity of OHC stereocilia bundles was compromised in the KO mice. We propose that TM_OHC is a novel integral component of the OHC stereocilia TM-AC and HTC complexes. Future studies will reveal the precise role of TM_OHC in structure, assembly, and maintenance of the stereociliary connectors and help to understand the mechanical framework and its role for OHC transduction.Nein

Dr. med.

Prof

Synaptische Mechanismen der Lärm-induzierten auditorischen Synaptopathie

Die Lärmschwerhörigkeit ist eine der häufigsten Ursachen für Hörverlust bei Erwachsenen und gehört zu den häufigsten Berufskrankheiten. Frühere Studien haben gezeigt, dass die Synapsen der inneren Haarzellen (IHZ) in der Cochlea, insbesondere in der Basis, durch Lärm irreparabel geschädigt werden können. Wie sich dieser synaptische Verlust auf die synaptische Physiologie der IHZ auswirkt, wurde bisher jedoch nicht untersucht. Um diese Frage zu klären, setzten wir 3-4 Wochen alte C57BL/6J-Mäuse unter Isofluran-Narkose für 2 Stunden einem Breitband-Rauschen von 8-16 kHz aus. Es wurden Hörtests, immunhistochemische Untersuchungen und Patch-Clamp-Experimente durchgeführt, um die synaptische Funktion der IHZ zu untersuchen.Zwei verschiedene Schalldruckpegel (SPL) führten zu einer akuten Erhöhung der Hörschwelle, die sich nach zwei Wochen unterschiedlich schnell erholte. Unabhängig von der Lärmintensität kam es zu einem Verlust von 25-36% der Band-Synapsen in den basalen Bereichen der Cochlea, der zwei Wochen nach der Exposition weiterhin anhielt. In diesen Bereichen wurden darauf Patch-Clamp-Aufnahmen durchgeführt. Die Depolarisations-induzierten Calciumströme in den IHZ waren im Vergleich zu Kontrolltieren zwei Wochen nach der Exposition leicht, aber nicht signifikant verringert. Die Exozytose, gemessen als Membrankapazitätsänderungen, blieb trotz des signifikanten Verlusts der Synapsen unverändert, was auf eine erhöhte Exozytose an den verbleibenden Synapsen durch bisher ungeklärte Kompensationsmechanismen hindeutet.Nein.

Brain beta-amyloid pathology is linked to stria vascularis pathology and hearing loss – evidence from two Alzheimer´s disease mouse models

Presbycusis is a main risk for Alzheimer´s disease (AD).Links are unknown.We tested whether amyloid b (Ab) deposition in the brain results in hearing pathology.We use two genetically modified mice.The 3xTg-AD overexpresses mutated amyloid precursor protein (APP), with Ab deposits in the brain. The "knock-in" APPNL-F expresses mutated "humanized" APP with no overexpression, and Ab deposits in brain regions affected in AD. Mice were assigned to "young" (2-4 months) "adult" (6-9 months) and "old" (past 10 months) age groups. Auditory brainstem recordings (ABRs), "in vivo" cochlear imaging with [18F]FDG PET, histology and immunocytochemistry for inflammatory markers were used.PET scans showed a trend (p=0.079) in SUVgluc towards lower glucose metabolism in the cochlea of old AD mice (3.83±0.69) as compared to young (6.50±2.55). There was atrophy of the stria vascularis (SV,) more evident in old mice. Immunocytochemistry for Iba1, marker for activated macrophages, labeled the SV of adult TgAD mice. They were more abundant in old mice, invading the spiral ligament. Histological findings were similar in APP mice. ABRs showed significantly increased auditory thresholds relative to wild type mice, starting in the high frequencies and extending to lower frequencies at the old age group.Massive dysregulation of APP in the 3xTg-AD mouse or dysregulation restricted to the cortex in the APP mouse led to SV pathology. Ab deposition may result in faulty clearance in blood vessels, including the SV, with dysregulated inflammation, SV damage and altered endocochlear potential with hearing loss, suggesting a vicious circle between AD and presbycusis.Supported by Cluster of Excellence "Hearing4all", EXC 2177/1, 390895286, German Research Foundation, DFG and by Internationale Hörstiftung.No

Dr. med. univ.

Priv.-Doz. Dr.

Assoc. Prof. PD Dr.

Die Transgen-Expression viraler Vektoren im Innenohr von Schweinen als Modell für menschliche Innenohr-Gentherapie

Einleitung: In den rezent publizierten klinischen Studien wurden Kinder, welche von der autosomal-rezessiv vererbbaren Otoferlin-Taubheit betroffen waren, mit adeno-assoziierten Viren lokal im Innenohr behandelt. Eine extensive Untersuchung der jeweiligen Transduktion der applizierten Viren wurde bisher im Großtiermodell repräsentativ für den Menschen nur in wenigen Spezies untersucht. In dieser Studie wurden adeno-assoziierte Viren in das Innenohr von Schweinen injiziert, um die resultierende Transduktion im Innenohrgewebe zu untersuchen.Methoden: In drei Schweinen wurde das adeno-assoziierte Virus 2 (AAV2) chirurgisch in Sedierung kontrolliert über die Rundfenstermembran injiziert. Prä- und postoperativ wurden Hirnstammaudiometrien durchgeführt. Sowohl die Innenohren als auch weitere Organe wurden eine Woche nach Applikation des AAV2 histologisch mittels Immunfluoreszenz untersucht.Ergebnisse: Die histologischen Ergebnisse zeigten eine Transduktion von etwa 50% der äußeren und inneren Haarzellen. Zudem konnte ein gleichmäßiges Transduktionsmuster in Immunfluoreszenz-Bildern aller Abschnitte der Cochlea beobachtet werden. Eine einseitige Injektion zeigte keine Transduktion im kontralateralen Ohr. Zudem verursachte die einmalige Injektion des AAV2 keine Schwellenänderung in den Click-Antworten der Hirnstammaudiometrie.Schlussfolgerungen: Das Schwein stellt aufgrund der großen Dimensionen des Innenohrs eine geeignete Alternative zur Untersuchung der Transduktion nach der Applikation viraler Vektoren dar. Diese Erkenntnis zeigt, dass AAV2 sich als guter Vektor zur Übertragung von Genmaterial in Haarzellen eignet und zukünftige Gentherapien präklinisch im Schwein untersucht werden können, um die effektivsten Wege einer Behandlung von Menschen zu eruieren.Die im Rahmen dieser Studie durchgeführten Experimente wurden von der Christian Doppler Gesellschaft in Kooperation mit der Firma MED-EL finanziell unterstützt.

PD Dr. med.

AC102, ein innovatives Molekül, das in präklinischen Modellen eine starke Wirksamkeit gegen Hörverlust zeigt, befindet sich nun im fortgeschrittenen Stadium der Phase 2

IntroductionAlthough not approved, glucocorticoids are recommended by guidelines to treat Sudden Sensorineural Hearing Loss (SSNHL). This doctrine was questioned by latest results from a Germany-wide trial in idiopathic SSNHL patients (Plontke et al., 2024): High doses of glucocorticoids were not superior to standard dose. Besides that, up to 52% of patients required a hearing device at study end. These results call for new treatments.MethodsAC102, formulated in a thermosensitive gel, is developed to treat hearing loss.Model of Noise-induced hearing loss (NIHL): Guinea pigs were overexposed to noise and treated with AC102, placebo or dexamethasone 1h after trauma. Hearing was assessed by ABR at D21Phase 2 (AC102-201): Efficacy of single i.t. application with AC102 compared to oral prednisolone (60 mg/mL) in 210 patients with idiopathic SSNHL in 8 countries. Main endpoints: Improvement in hearing threshold (D28) and word recognition (D84)ResultsFollowing NIHL, AC102 reversed hearing thresholds in guinea pigs to almost normal levels across frequencies (2-32 kHz). The effect of dexamethasone was comparable to placebo. Histology revealed that AC102 restored ribbon synapses and outer hair cells, structures damaged during hearing loss.AC102 was reported to be safe and tolerable in a Phase 1 trial in healthy volunteers and by the Data Safety Monitoring Board (DSMB) in the ongoing Phase 2 in idiopathic SSNHL patients.DiscussionIn an NIHL model, AC102 outperformed glucocorticoids, the current SoC for treatment of hearing loss. It showed a positive safety profile in a Phase 1 trial in healthy volunteers. This was confirmed by the DSMB in an ongoing Phase 2 in SSNHL patients, which evaluates the efficacy of AC102.Plontke et al.,(2024); NEJM Evid 3(1)S. Plontke declares research grants to University (Coordination Investigator Clinical Trial)R. Schlingesiepen is the CEO of AudioCure Pharma GmbH, Sponsor of clinical study AC102-201

Neue Ansätze zur Untersuchung der Rolle des Pendrin Proteins bei der Pathogenese von Erkrankungen im HNO-Bereich

EinleitungDas Transmembranprotein Pendrin, kodiert durch das SLC26A4 Gen, wird an Oberflächen unterschiedlicher Zellen im humanen Organismus exprimiert und ermöglicht den Austausch von Anionen. Eine veränderte Expression, basierend auf Strukturänderungen durch Genvarianten führt u.a. zu Erkrankungen wie einer hereditären, isolierten Innenohrschwerhörigkeit oder syndromalen Innenohrschwerhörigkeiten mit einer Beteiligung der Schilddrüse (Pendred Syndrom). Die weltweit hohe Prävalenz nachgewiesener SLC26A4 Varianten bei hereditären Krankheitsbildern verlangt nach in-vivo Modellen zur Untersuchung der Pathogenese.Material/MethodenMit Hilfe der CRISPR-Cas9 Methode wurde ein knock-in Mausmodell generiert, welches die pathogene Proteinvariante p.R409H exprimiert. Die aus der heterozygoten F1-Generation entstehenden Nachfahren erlauben Untersuchungen des klinischen Phänotyps im Wildtyp, heterozygoten Trägern und Homozygoten. Erste Untersuchungen beinhalten Software-gestützte Beobachtungen zum vestibulären Phänotyp.ErgebnisseAnhand erfolgter Genotypisierungen und klinischer Beobachtungen von Hörverlust und Schwindelsymptomen, stellt das Modell eine Grundlage für in-vivo Untersuchungen zur Erforschung der Pathogenese und möglichen Therapieansätzen dar.DiskussionDurch die Etablierung eines Mausmodells wird die Möglichkeit geschaffen, in-vivo, bisherige in-vitro Erkenntnisse zur Pathogense zu überprüfen und neue therapeutische Ansätze zu entwickeln. Hierbei liegt der Fokus auf den Auswirkungen intrazellulärer Prozesse, wie dem intrazellulären Abbau pathogener Proteinvarianten. Ziel ist es, diese Prozesse spezifisch zu adressieren, um den Phänotyp wie Schwindel, Schwerhörigkeit oder Funktionsstörungen der Schilddrüse möglicherweise positiv zu beeinflussen.Nein

Local application of extracellular vesicles in sudden sensorineural hearing loss – feasibility of a novel treatment approach

Introduction: Sudden sensorineural hearing loss (SSNHL) poses significant challenges in Otolaryngology, with conventional treatments often yielding limited success. This case report describes our efforts to explore the potential of locally applied stromal cell-derived extracellular vesicle-rich secretomes (VSF) as an innovative therapy for steroid-resistant SSNHL. A patient with unilateral SSNHL, unresponsive to standard corticosteroid therapy, sought alternative treatments based on personal research. After consultation, the patient received local application of VSF at the round and oval window niches as a last-resort intervention 4 weeks after the hearing loss.Material and Methods: The feasibility of this approach was supported by recent studies demonstrating the safety and potential efficacy of VSF therapies. The candidate drug was administered under local anesthesia in an outpatient setting as named patient experimental treatment.Results: Postoperative evaluation revealed no adverse events of the EV-based therapy. A follow-up visit for thorough audiological evaluation is planned.Discussion/ Conclusion: This case demonstrates the feasibility of translating vesicle-rich secretome-based therapies to clinical application in SSNHL. The ease of administration and apparent safety profile support potential wider investigation. While further research is required, this attempt underscores the feasibility of local EV-based VSF therapies for SSNHL.No

Dr. rer. nat.

Dr.med.

Primärkultur von Innenohrschwannomen

Ohr / Laterale Schädelbasis

BV-OHR/LS

EinleitungInnenohrschwannome (IES) stellen einen seltenen Subtyp vestibulocochleärer Schwannome (VS) dar. Es sind gutartige, aus Schwann-Zellen des 8. Hirnnervs hervorgehende Tumore. Während VS klassischerweise im inneren Gehörgang und/oder Kleinhirnbrückenwinkel auftreten, entstehen IES im Innenohr, häufiger ausgehend vom N. cochlearis. IES wachsen in der Regel langsam und ihre Lokalisation und Größe beeinflussen das Management in Bezug auf Tumorkontrolle, Erhalt oder Rehabilitation des Hörvermögens sowie die Funktion der vestibulären Rezeptoren. Die Untersuchung der ätiologischen, pathogenetischen und molekularbiologische Charakteristika von IES ist aufgrund ihrer Seltenheit und des geringen Tumormaterials erschwert.MethodenVon 12 Patienten mit IES wurden Primärzellen gewonnen und diese jeweils für 28 Tage kultiviert. Hiervon wurden 4 Primärkulturen von Tumoren unterschiedlicher Lokalisation innerhalb des Innenohres weiter charakterisiert. Proliferation, Viabilität und Stabilität sowie relative Anteil von Monozyten/Makrophagen wurden mittels Immunfluoreszenzfärbungen und semiautomatischer Bildauswertung analysiert.ErgebnisseAus allen Proben konnten vitale Zellen gewonnen und für 28 Tage kultiviert werden. Der Anteil an Schwannomzellen lag zwischen 65% und 90% und zeigte sich in sequentiellen Färbungen konstant. Die Primärkulturen unterschieden sich hinsichtlich Infiltration durch CD68-positive Zellen.DiskussionIn dieser Arbeit wird die weltweit erste erfolgreiche Etablierung und Charakterisierung einer stabilen und reproduzierbaren Primärkultur von IES vorgestellt. Diese soll als in-vitro Modellsystem die Untersuchung biologischer Aspekte von IES erlauben sowie eine Plattform für die Evaluierung neuartiger, u.a. medikamentöser Therapieansätze schaffen.Nein

Session 75
Innenohr und experimentelle Otologie

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Session 75Innenohr und experimentelle Otologie

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Session 75
Innenohr und experimentelle Otologie