13. Jahrestagung der Deutsche Gesellschaft für Biomechanik e. V.

Prof.

Orthopädisches Assessment ohne Patientengespräch?

Abstract-Text (inkl. Referenzen und Bildunterschriften) Einleitung Orthopädische Scores stellen eine weit verbreitete Möglichkeit zur Bewertung des Gesundheitszustandes und Operationserfolges dar, die jedoch subjektiv geprägt ist und einem erfahrenen Kliniker bedarf [1][2]. Ziele Durch Methoden zur instrumentellen Bewegungsanalyse und modellbasierten Vorhersage werden neue Perspektiven geschaffen, um das Assessment zu automatisieren und objektivieren [3]. Eine präzise Vorhersage der orthopädischen Scores kann Kliniker entlasten und neue Möglichkeiten im personalisierten Gesundheitswesen hervorbringen. Materialien &amp; Methoden 19 Patienten mit künstlichem Gelenkersatz wurden Ø 5.3 Monate postoperativ einer klinischen Nachuntersuchung unterzogen (Score Erhebung: Harris Hip Score (HHS) oder Knee Society Score – knee score (KSS-ks); instrumentelle Ganganalyse). Anhand eines repräsentativen Gangzyklus jedes Patienten und dem vortrainierten Modell aus [3] wurde der jeweilige instrumentelle Score (iHHS oder iKSS-ks) berechnet. Zur Untersuchung der Vorhersagegenauigkeit werden Parameter der deskriptiven Statistik und die Interrater Abweichung, wie in [2] beschrieben, herangezogen. Ergebnisse Nach Cohen kann ein kleiner und großer monotoner Zusammenhang festgestellt werden (Abb. 1: Spearman&quot;s rho). Auf Basis des 95% Referenzintervalls erzielt die Vorhersage für spät postoperativ vermessenen Patienten einen Score innerhalb von 17.5 (HHS) bzw. 19.0 (KSS-ks) Punkten Abweichung vom tatsächlichen Score, wobei in Abb. 2 erkennbar ist, dass die instrumentelle Vorhersage die Pateinten in nahezu allen Fällen mit einem geringeren Score bewertet. Zusammenfassung Die Genauigkeit der Vorhersage liegt im Bereich der Messvarianz durch unterschiedliche Bewerter (Liow [2]), bietet jedoch im Vergleich zu den in [3] erzielten Ergebnissen, für kurz post-OP vermessene Patienten, noch ein immenses Verbesserungspotential des Modells. Ein besser generalisiertes Vorhersagemodell in Kombination mit innovativen Systemen zur mobilen Bewegungserfassung könnte Kliniker entlasten und neue Möglichkeiten im personalisierten Gesundheitswesen schaffen. Quellen [1] Söderman P, et al. DOI: 10.1097/00003086-200103000-00022. [2] Liow R. YL, et al. DOI: 10.1080/000164700317362244. [3] Raab D, et al. DOI: 10.1007/s00264-022-05670-0.

Gang- und Bewegungsanalyse

Vortrag

A multicentre analysis using a cluster of inertial measurement units for remote monitoring human motion and automated detection of trips and slips

Abstract-Text (inkl. Referenzen und Bildunterschriften) For remote monitoring and evaluation of human motion during daily life, accurate extraction of kinematic quantities of body segments is of great importance. Current approaches use inertial sensors that require numerical time differentiation to access the angular acceleration vector1, a mathematical operation that greatly amplifies noise in the acceleration coordinate values. With this multicentre research we had two objectives: i) to introduce a wearable sensor (IMC) that utilises a spatially defined cluster of inertial measurement units for directly measuring the angular acceleration vector and compare the IMC with a numerically derived angular acceleration signal using experimental data; ii) to use the IMC for analysing trunk dynamics and automatic detection of trips and slips. The latter experimental set-up involved standardised perturbations during treadmill walking and less controlled conditions, i.e. perturbed overground walking simulating real-world trips and slips more faithfully as well as various activities of daily living (ADL). The characteristics of the experimental data corresponded to those observed in the simulated sensor data, with the IMC showing a conceptual advantage to determine the angular acceleration vector compared to current inertial sensor solutions. Using a cross-institutional analysis of the various signal sequences via an automated evaluation algorithm including individual thresholds, the results demonstrated that the algorithm was capable to automatically identify all 152 slips and trips revealing 100% sensitivity. Out of 450 ADL tasks the algorithm revealed seven false-positive detections (98% specificity) confirming the feasibility for automatically and remotely detecting trip- and slip-like perturbations. The IMC therefore presents an opportunity to pioneer reliable extraction of kinematic quantities of body segments in daily life and for fall risk assessment in healthy and pathological conditions. 1Bet et al. 2019, Int J Med Inform

Validierung eines 3D-gedruckten Schuhs zur Erfassung der Fußkinematik mittels markerbasierter Multisegment-Fußmodelle

Abstract-Text (inkl. Referenzen und Bildunterschriften) Einleitung Die Analyse der Fußkinematik mit Hilfe von Multi-Segment-Fußmodellen (MSFM) unter Barfußbedingungen ist ein etabliertes Verfahren (Carson et al. 2001). Problematisch ist die Anwendung von MSFM unter Schuhbedingungen. Bisher muss zur Anbringung der Marker auf den vorgegebenen anatomischen Landmarken der Schuh teils zerstört werden, wodurch die Eigenschaften der so präparierten Schuhe negativ verändert sein können. Ziele Die Studie hat zum Ziel die Reliabilität des Oxford Foot Model (OFM) beim Gehen in einem speziell für die Anwendung von MSFM designten Schuh (Foot-Modell-Shoe, FMS) zu untersuchen. Materialien &amp; Methoden Der mittels 3D-Druck gefertigte Schuh (siehe Abbildung 1) bietet trotz Aussparungen zur Anbringung der notwendigen Marker (14mm) einen guten Halt am Fuß. Mit einem 3D-Bewegungsanalyse-System (Vicon) wurden von einer gesunden Person in zwei Sessions jeweils 12 Gangzyklen des rechten Fußes unter drei Bedingungen (Barfuß, Schuh, Schuh + Einlage) erfasst und unter Verwendung des OFM die Fußkinematik analysiert. Intra- bzw. Intersession-Reliabilität wurden anhand der Range of motion (ROM) ausgewählter Winkelverläufe überprüft. Ergebnisse Die Werte der Intraklassenkorrelation (ICC) zur Quantifizierung der der Reliabilität innerhalb einer Session lagen zwischen 0,684 und 0,956. Für die Intersession-Reliabilität ergaben sich ICC-Werte von 0,767 bis 0,997. Zusammenfassung Die Reliabilität innerhalb einer Session als auch zwischen zwei Sessions sind als sehr gut einzuschätzen. Diese ersten Messungen zeigen, dass unter Verwendung des neu entwickelten FMS, mit dem OFM auch unter Schuhbedingungen die Fußkinematik zuverlässig erfasst werden kann. Literatur Carson, M. C.; Harrington, M. E.; Thompson, N.; O'Connor, J. J.; Theologis, T. N. (2001): Kinematic analysis of a multi-segment foot model for research and clinical applications: a repeatability analysis. In: Journal of biomechanics 34 (10), S. 1299–1307. DOI: 10.1016/S0021-9290(01)00101-4

Dr. rer. medic-

Prof. Dr. med.

Univ.-Prof. Dr. med.

Priv.-Doz. Dr.-Ing.

Belastungsanalyse der Hüfte respektive Hüftendoprothese im Fall von Beinlängendifferenzen und deren Ausgleich

Abstract-Text (inkl. Referenzen und Bildunterschriften) Einleitung: Der Ersatz des Hüftgelenks mittels Totalendoprothese (Hüft-TEP) zählt zu den häufigsten Operationen in Deutschland (240.000/Jahr). Eine postoperative Beinlängendifferenz (BLD) kann jedoch zu Gangunsicherheit, erhöhtem Sturzrisiko und erhöhter Gelenkbelastung führen. Ein Verständnis über die Hüftgelenkbelastung bei Patient*innen mit BLD (PatmBLD) könnte die Auswahl geeigneter Maßnahmen wie Schuherhöhungen (SE) erleichtern. Ziel: Untersucht wurde der Effekt einer BLD und deren Versorgung mit einer SE bei Hüft-TEP-Patienten, indem die Belastung im operierten und kontralateralen Gelenk sowie die Gangsymmetrie nach der Operation und nach 7 Monaten betrachtet wurde. Methode: PatmBLD (&gt;0.5cm) und ohne (PatoBLD) wurden mit einem Inertialsensorsystem bei einem 10m-Gangtests vermessen. Zusätzlich wurden die Höhe der BLD und das Trendelenburg-Zeichen erhoben. Ebenfalls untersucht wurden PatmBLD, versorgt mit einer SE. Die Hüftgelenksbelastung wurde mittels Mehrkörpersimulation (AnyBody) analysiert. Die Modelle wurden geometrisch durch Skalierung an die BLD und SE angepasst. Die auf das Körpergewicht normierten und gemittelten max. Hüftgelenkskräfte (Fres) wurden mittels ungepaartem (PatoBLD/PatmBLD) und gepaartem (PatmBLD, mit/ohne SE) t-Test verglichen. Ergebnisse: Von 18 Patient*innen wiesen acht 6-12 Wochen postoperativ eine BLD (1.29 cm ± 0.5 cm) auf. PatmBLD zeigten signifikant höhere Belastungen (26.70 %) im operierten Gelenk im Vergleich zu PatoBLD (Abb. 1). Nach BLD-Therapie mit SE reduzierte sich die Belastung im operierten Gelenk und die Belastungsdifferenz zwischen operiertem und kontralateralem Gelenk (Abb. 2). Sieben Patienten wurden bisher nach 7 Monaten vermessen, davon drei mit BLD, die sich um 0.57 cm reduzierte.Zusammenfassung: Die Therapie der BLD mit SE reduziert die Belastungsdifferenz zwischen operiertem und kontralateralem Gelenk, was auf ein harmonischeres Gangbild hinweist. Die BLD-Reduktion nach 7 Monaten könnte zusätzlich positiv wirken.

Prof. Dr.

Kurzzeitstabilität der orthopädisch-biomechanischen Laufanalyseparameter nach Marquardt bei einer Laufband-Videoanalyse

Abstract-Text (inkl. Referenzen und Bildunterschriften) Einleitung: Biomechanische Laufanalysen, wie das Vier-Punkt-Modell nach Marquardt [1], werden zur Prävention von Fehl- und Überbelastungsschäden im Laufsport eingesetzt. Aus der Literatur ist bekannt, dass sich bestimmte Bewegungsparameter des Laufens in Abhängigkeit von Belastungsdauer und -intensität deutlich verändern können [2]. Ziel ist es daher, die Laufanalyseparameter nach Marquardt auf ihre Kurzzeitstabilität innerhalb der ersten drei Laufminuten hin zu untersuchen. Methoden: Zwölf männliche Amateurfußballer wurden auf einem motorisierten Laufband in der sagittalen und dorsalen Ebene gefilmt. Der Test bestand aus drei vierminütigen Intervallen (barfuß 12 km/h; mit Schuhen 12 km/h; mit Schuhen 14 km/h) mit jeweils vier Minuten Pause, in denen u. a. die Borg-Skala erfasst wurde. Die zeitlichen und lauftechnischen Bedingungen wurden mittels zweifaktorieller ANOVA mit Messwiederholung analysiert. Ergebnisse: Im Vergleich der Laufbedingungen zeigen alle mittleren Gelenkwinkel mit Ausnahme des Fersen-Boden-Winkels signifikante Unterschiede. Im zeitlichen Verlauf zeigt die Hälfte der analysierten Winkel signifikante Veränderungen, z. B. der Knieflexionswinkel (Abbildung 1). Diskussion: Aufgrund unserer Studienergebnisse ist davon auszugehen, dass bereits eine geringe Ermüdung der Muskulatur einen erheblichen Einfluss auf die Laufbewegung hat. Wir empfehlen daher, entsprechende Analyseverfahren nach Absolvierung einer einzelnen Trainingseinheit bzw. mit einer Vielzahl von Schritten zu unterschiedlichen Zeitpunkten durchzuführen. Literatur: Marquardt, M., Laufen und Laufanalyse. Medizinische Betreuung von Läufern. Vol. 1. 2012, Stuttgart: Thieme Verlag. 276. Zandbergen, M.A., et al., Effects of level running-induced fatigue on running kinematics: A systematic review and meta-analysis. Gait &amp; Posture, 2023. 99: p. 60-75.

Effects of functional electrical stimulation (FES) on gait function in adult patients with upper motor neuron syndrome at different phases of treatment

Abstract-Text (inkl. Referenzen und Bildunterschriften) Introduction:Foot drop is a common impairment of patients with upper motor neuron disease [1]. Besides ankle foot orthoses FES is used as an alternative treatment. It shows the advantage of an active dorsiflexion and less joint restrictions while being more comfortable [2]. Even with minor biomechanical improvements, patients satisfaction can be high and superior to AFOs [3]. Research question:For a better understanding of how effects of FES evolve over time, gait function in patients starting their treatment and patients after one year of treatment are analyzed. Methods:The longitudinal and cross-sectional study consist of two groups. Newly treated patients (G1) and patients started their FES treatment at least 12 month ago (G2). Both groups run through two measurement days, 12 weeks apart, where gait analysis will be recorded with and without FES. To analyze general effects of FES, all walking conditions are grouped together. Until now, twelve patients in total have been measured for T1 (six of each group). For this intermediate analysis the effects of FES are descriptively analyzed over both groups together and for each group separately.Results:General effects of FES over both groups show an increase in step length. Separated in each group, G1 shows an increase from 0.60 to 0.61 cm and for G2 from 0.61 to 0.63 cm. Walking speed over both groups increases as well. G1 stays at 1.02 m/s and G2 increases from 1.03 to 1.07 m/s. In terms of ankle kinematics, dorsiflexion during heel strike over both groups shows higher values. For G1 the increase is 1.06° and for G2 4.36°. Max. dorsiflexion during swing shows similar effects. G1 increases 1.23° and G2 2.90°.Discussion:Early results show that effects of FES tend to be higher in G3, indicating effects of FES over time which might lead to an improved walking function and dynamic stability. To see how the effects of FES evolve over time in each group and during different walking conditions will be interesting to analyze.

Klinische Studien und Rehabilitation

Vorhersage der Gangkinetik unter Verwendung von IMU-Daten und künstlichen neuronalen Netzen

Abstract-Text (inkl. Referenzen und Bildunterschriften) Fragestellung: Zur Vorhersage von Bodenreaktionskräften (GRF), Gelenkdrehmomenten (MOM) und Gelenkleistung (PW) mittels Inertial Measurement Units (IMUs) bieten künstliche neuronale Netze (KNN), wie das Multi-Layer Perceptron (MLP) und das Long Short-Term Memory (LSTM) vielversprechende Ergebnisse für laborungebundene Ganganalysen [1-2]. Methoden: 32 gesunde Probanden (P) (f = 12; Alter: 30,4 ± 8,7 Jahre) wurden mit dem Plug-In-Gait und 10 IMUs (Delsys) ganganalytisch (Vicon, AMTI) gemessen (Abb. 1). Zum Training der KNN wurden die Beschleunigungsdaten (ACC) der IMUs als Merkmale verwendet (18 Features) und jeweils die GRF, MOM und PW als Labels. Es wurden 1280 Schritte (32 P x 2 Beine x 20 Versuche) als zeitnormalisierte Standphase genutzt. 26 P wurden für die Hyperparameteroptimierung (HPO) und das Training des KNN genutzt und 6 als ungesehene Testdaten (split4). Die Leistungen des MLP und des LSTM wurden mit dem normalisierten mittleren quadratischen Fehler (nRMSE) und der Pearson Korrelation (r) für split4 quantifiziert. Ergebnisse: Mit dem nRMSE zwischen 3,1% und 10,6% und r zwischen 0,79 und 0,99 waren sowohl das MLP als auch das LSTM in der Lage, die GRF, MOM und PW vorherzusagen. Die ant.-post. (AP) Komponente der GRF und das Knieflexionsmoment (KFM) zeigen hohe Korrelationen (r ≥ 0,93) (Abb. 2). Beim nRMSE zeigten sich für beide KNN die niedrigsten Werte für die AP GRF (MLP: 3,1%; LSTM: 4,1%) im Gegensatz zum Knieabduktionsmoment (MLP: 10,1%; LSTM: 10,6%). Schlussfolgerungen: Die Gangkinetik kann aus IMU-Daten mit dem MLP und dem LSTM recht zuverlässig vorhergesagt werden. Mit dem MLP ist eine minimal bessere Genauigkeit als mit dem LSTM erreichbar. Für robustere und zuverlässigere Vorhersagen bedarf es weitere Messdaten. Zukünftig soll der Einfluss unterschenkelamputierter Prothesenträger auf die Leistung der KNN untersucht werden. Literatur: [1] Mundt et al.(2021). Sensors:21(13):4535; [2] Moghadam et al.(2023). Scientific reports:13:5046

Session 14
Bewegungsanalyse lV

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