Dr. med. Jaqueline Klausewitz (Bochum / DE), Dr. med. Jana Bauer (Bochum / DE), PD Dr. med. Saskia Meves (Essen / DE), Prof. Dr. med. Simon Faissner (Bochum / DE), Prof. Dr. med. Ralf Gold (Bochum / DE)
Abstract-Text (inkl. Referenzen und Bildunterschriften)
Eine 61-jährige Ukrainerin war bis Juni 2023 in sehr gutem Gesundheitszustand. Nach Rückkehr von einer Tschechien Reise wurde sie wegen einer hypertensiven Entgleisung stationär aufgenommen, kurz danach entwickelte sie schmerzhafte Dysästhesien an Bauch und Füßen sowie mehrfache Bewusstseinsverluste. Seit dem 25. Juli kam es im häuslichen Umfeld zu einer raschen Verschlechterung mit Diarrhoen, Verlust des selbständigen Gehvermögens und Haarausfall. Unter SSRI Therapie traten Halluzinationen und Wesensveränderungen auf. Die Verlegung in unsere Klinik erfolgte 4 Wochen später unter der Verdachtsdiagnose einer Polyradikuloneuritis, mit Ähnlichkeiten zu einem Guillain-Barré-Syndrom.
Wir sahen eine schwer kranke, verlangsamte Patientin mit unscharfer Orientierung und beinbetonter Tetraparese. Nachdem neben der Alopezie auch sog. Mees-Bänder an den Fußnägeln erkennbar waren, gingen wir von einer perakuten axonalen Neuropathie sowie Encephalopathie auf toxischer Grundlage aus. Hierzu passten die fehlenden motorischen Potentiale der Nn. Tibiales, sowie die komplette Denervierung des M. Tib. anterior bei relativ geringer sensibel-axonaler Störung. Das EEG zeigte einen niedrigamplitudigen Theta Grundrhythmus. Sowohl im Urin mit 399 µg/l als auch im Serum mit 75 ng/ml (Referenzbereich <5ng/ml) fanden sich deutlich erhöhte Thallium- Konzentrationen, bei unauffälligen Werten für Blei, Kupfer und Arsen. Aufgrund der Prodromalphase von 6 Wochen verzichteten wir auf die Gabe von Berliner Blau zur Resorptionsverzögerung und begannen unverzüglich eine forcierte Diurese, die binnen 2 Wochen zu einer mehr als 70% Reduktion der Thallium-Spiegel führte. Parallel zur EEG-Verbesserung wurde physiotherapeutisch eine zunehmende Mobilisierung erreicht, und in einer spezialisierten Reha-Einrichtung fortgeführt. Zusammenfassend sollten Schwermetallintoxikationen differentialdiagnostisch bei dem o. g. klinischen Bild in der Akutphase erwogen werden, um neurologische Folgeschäden zu vermeiden. Wir diskutieren die Differentialdiagnose akuter Schwermetallintoxikationen und den weiteren Verlauf.
Acknowledgement: Wir danken Herrn Dr. med. habil. Paul Reuther, Bad Neuenahr-Ahrweiler, für hilfreiche Diskussion.