Markus Schmidt (Bonn / DE), Anna Minarik (Bonn / DE), Tobias Bauer (Bonn / DE), Charlotte Gauvry (Bonn / DE), Peter Trautner (Bonn / DE), Marcel Kehl (Bonn / DE), Christian Hoppe (Bonn / DE), Valeri Borger (Bonn / DE), Hartmut Vatter (Bonn / DE), Markus Gabriel (Bonn / DE), Florian Mormann (Bonn / DE), Rainer Surges (Bonn / DE), Theodor Rüber (Bonn / DE)
Abstract-Text (inklusive Referenzen und Bildunterschriften)
Einleitung
Die Hemisphärotomie ist ein neurochirurgisches Verfahren zur Isolation einer geschädigten Hemisphäre, das als Ultima Ratio-Option bei der Behandlung therapierefraktärer Epilepsie angezeigt sein kann. Nach dem Eingriff ist die von der Epilepsie betroffene Hemisphäre vom Rest des zentralen Nervensystems nahezu vollständig isoliert, wobei der Geruchsnerv und der Sehnerv die letzten verbleibenden Verbindungen zur "Außenwelt" darstellen. Diese besondere Situation wirft die Frage auf, ob über diese Afferenzen eine bewusste Sinneswahrnehmung auf der isolierten Hemisphäre möglich ist und die isolierte Hemisphäre damit eine Insel des Bewusstseins (Bayne et al., 2020) darstellt.
Ziele
Mittels Aufgaben-basierter funktioneller MRT soll die olfaktorische und visuelle Wahrnehmung der isolierten Hemisphäre nach Hemisphärotomie getestet werden.
Materialien & Methoden
Es sollen 15 Patient:innen nach Hemisphärotomie und 30 gesunden Kontrollproband:innen mittels funktioneller MRT bei 3T untersucht werden. Zur Testung der olfaktorischen Wahrnehmung soll der Riechnerv der isolierten Hemisphäre durch Düfte stimuliert werden, welche durch ein MRT-taugliches Olfaktometer präsentiert werden (analog zu Gottfried et al., 2002). Dabei werden Stimuli mit positiver (Vanillin, Lavendelöl), neutraler (Phenethylalkohol) und negativer Valenz (Valeriansäure) verwendet. Anschließend soll die Antwort der isolierten Hemisphäre mit der verbundenen Hemisphäre und Kontrollen verglichen werden (siehe Abbildung). Weiterhin soll getestet werden, ob es einen Unterschied in der Antwort zwischen positiv und negativ bewerteten Düften sowie vertrauten und unbekannten Düften gibt. Zur Testung der visuellen Wahrnehmung soll die Sehrinde mittels eines im Kontrast wechselnden Schachbrettmusters stimuliert werden (Murray, 2003). Auch hier soll die Antwort der isolierten Hemisphäre mit der verbundenen Hemisphäre und Kontrollen verglichen werden.
Zusammenfassung
Die isolierte Hemisphäre nach Hemisphärotomie stellt als isolierte Einheit des Nervensystems möglicherweise eine "Insel des Bewusstseins" dar. Wenn es gelingt, sensorische Areale der isolierten Hemisphäre durch olfaktorische und visuelle Stimuli anzusprechen und die Antwort mittels funktioneller MRT zu messen, würde dies erstmals eine empirische Evidenz für ein neuronales Korrelat des Bewusstseins liefern.
Referenzen
Bayne, T., Seth, A. K., & Massimini, M. (2020). Are There Islands of Awareness? Trends in Neurosciences, 43(1), 6–16.
Gottfried, J. A., Deichmann, R., Winston, J. S., & Dolan, R. J. (2002). Functional Heterogeneity in Human Olfactory Cortex: An Event-Related Functional Magnetic Resonance Imaging Study. J Neurosci, 22(24), 10819–28.
Murray, S.O (2003). Retinotopy. Archives of Neurobehavioral Experiments and Stimuli: 86.
Bildunterschrift
(I) Übersicht über das MRT-Paradigma zur Testung der olfaktorischen Wahrnehmung. Dazu werden unterschiedliche Düfte wiederholt mittels Olfaktometer präsentiert. Die Teilnehmenden bestimmen die subjektiv wahrgenommene Intensität (II), Vertrautheit (III) und Valenz (IV) jedes Dufts pro Durchlauf.